Sat-Dec-2022, 12:28 PM
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Denkt man an Statistik, dann denkt man an Winston Churchill.*
Wer aber glaubt, Churchill hätte einen guten Witz gemacht, ist auf dem Holzweg. Vermutlich mit dampfender Zigarre im Mund fasste er nur kurz zusammen, was menschlicher Unverstand bedeutet. Die Krux liegt nämlich darin, dass wir beinahe alles rein intuitiv entscheiden und damit in der Regel völlig daneben liegen, aber selbst unerschütterlich davon überzeugt sind, klug und überlegt zu handeln. Selbsttäuschung ist der ungeschlagene Favorit – kritische Vernunft kennen wir nur aus dem Wörterbuch. Wenn überhaupt. „Ha, ha“, wird der Leser sagen, „trefflich formuliert. Aber auf mich trifft das nicht zu, nur auf alle anderen!“
Nun gut. Machen wir eine kleine Probe:
Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 €. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Was kostet demnach der Ball? Ihnen fällt eine Zahl ein? Und diese Zahl ist selbstverständlich Zehn. Zehn Cent. Die typische Besonderheit dieser leichten Aufgabe besteht darin, dass sie eine Antwort nahelegt, die intuitiv verlockend, aber falsch ist. Berechnen Sie es: Wenn der Ball 10 Cent kostet, aber der Schläger einen Euro mehr, dann würde der Schläger 1,10 € kosten und beides zusammen 1,20 €! Der Ball kostet also nur 5 Cent! Macht nichts, dass Sie nicht darauf gekommen sind, Sie werden die Schuld sowieso nicht sich selbst, sondern dem Fragesteller geben.
Nehmen wir zwei andere Beispiele, die mit dem aktuellen Phänomen des exponentiellen Wachstums zu tun haben:
Wenn fünf Techniker fünf Minuten brauchen, um fünf Podeste aufzubauen, wie lange brauchen dann 100 Techniker für 100 Podeste? Wenn sich die Schimmelpilze in der seit vielen Jahren nicht gereinigten Lüftungsanlage jeden Tag verdoppeln und nach 48 Tagen der komplette Filter damit verdeckt ist, wie lange dauert es dann, bis der halbe Filter verdeckt ist? Falls Sie nicht drauf kommen, finden Sie unten die Antworten.**
Statistik ist Mathematik, die uns helfen soll, logisch zu denken und kritische Analyse vor blinde Intuition zu stellen. Aber das Gegenteil ist meist der Fall. Wir lesen nur, was wir lesen wollen. Das liegt zum einen daran, dass wir dem Gesetz vom geringsten Aufwand gehorchen, das darin besteht, so wenig wie möglich nachzudenken. Und das wir dazu neigen, Dinge zu glauben, wenn sie nur oft wiederholt werden. Wenn Sie die folgende Nachricht in der Zeitung lesen oder im Radio hören, was bleibt dann bei Ihnen im Gedächtnis?
„Bei einer telefonischen Umfrage unter 300 Personen erklärten 70 %, gerne Vanillekipferl zu essen!“ (Sie können die Vanillekipferl durch jede andere Aussage ersetzen, ich habe sie aus vorweihnachtlicher Stimmung verwendet.) In Ihrem Gedächtnis bleiben die 70 %, also eine Mehrheit, die irgendetwas befürwortet. Vernüftigerweise sollte Ihnen aber im Gedächtnis bleiben, dass die Aussage und die ganze Umfrage Humbug sind. Eine telefonische Umfrage unter 300 Personen, deren Auswahl nicht bestimmt ist, kann für eine allgemeine Gültigkeit nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden. Da wir aber täglich dutzendfach mit „Ergebnissen“ von Umfragen überschüttet werden, haben wir längst kapituliert und fragen nicht, wie diese Zustande gekommen sind. Stattdessen kolportieren wir solche Dinge selbst fröhlich weiter und benutzen sie als Argumente zur Manifestation unserer Meinung.
Wenn Sie sich selbst oder Ihre Mitarbeiterinnen in Verlegenheit bringen und dabei die Intuition testen wollen, dann bieten Sie folgende Wette an:
Sie haben die Wahl zwischen zwei Optionen:
Es wird eine Münze geworfen. Bei Kopf erhalten Sie zwei Wochen Weihnachtsurlaub. Bei Zahl gar keinen einzigen Tag.
Sie erhalten eine Woche Weihnachtsurlaub.
Welche Option wählen Sie? Und warum?
Zum Schluss und Trost zitiere ich einen der erfolgreichsten amerikanischen Kolumnisten der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, Henry Louis Mencken: „Es gibt für jedes komplexe Problem eine einfache Lösung. Und die ist immer falsch!“
Anmerkungen/Lösungen von oben:
* „Vertraue nur einer Statistik, die du selbst gefälscht hast!“
* 5,47
HE - Admin
